Zwei Außerirdische
Tag 2 brach für mich um halb acht an. Ich fühlte mich gut und ausgeschlafen, aber mir war sehr kalt. Es sei nämlich angemerkt, dass chinesisch nur eine Klimaanlage besitzen, Heizungen haben die meisten nicht, geschweige denn Fernwärme. Ich froh also vor mich hin und zählte dabei schon die Nächte, die es noch brauchte, bis ich in einem Hotel schlafen würde. Ich wurde aber sofort umgestimmt, als mich meine Gastmutter sehr freundlich auf chinesisch begrüßte. Verstehen tat ich nichts aber das machte mir nichts aus. Mein Freund hat mich zu Tisch und wir frühstückten Frühlingsrolle und Weißbrot. Ich war sehr verwundert obgleich des Brotes aber mein Austauschschüler versicherte mir, dass dies normal sei für ein chinesisches Frühstück. Wir hatten 2 Stunden Zeit, bis wir für den ersten Programmpunkt des heutigen Tages aufbrechen mussten. Diese Zeit nutzte ich, um der Familie meine Gastgeschenke zu überreichen. Diese freuten sich sehr, was mich auch sehr glücklich machte. Außerdem lernte ich etwas über das chinesische Regierungssystem, denn der Vater erklärte mir mit Hilfe des Übersetzers seiner Wahl an Hand von Aufzeichnung aus dem Fernsehn eben jenes. Um 11 Uhr ging s los: wir fuhren durch Hangzhou und ich stellte immer wieder fest, dass Verkehrsregeln nichts für Chinesen war, aber das stimmte mich nicht unruhig, denn solange der Fahrer ruhig war, konnte ich das auch sein. Wir besuchten kurz die chinesischen "Landtag" von der Provinz, dessen Hauptstadt mein Aufenthaltsort ist, führen aber dann weiter, der Vater parkte das Auto und wir nahmen ein Taxi zu einem traditionellen Restaurant. Wir trafen dort die Austauschfamilie eines Freundes aus dem Kurs sowie meinen Freund. Es tat gut neben all der Körpersprache und dem Englisch auch mal wieder Deutsch sprechen zu können. Wir beiden Fremden durften eine Vielzahl chinesischer Spezialitäten probieren, denen wir auch fast unvoreingenommen begegneten. Danach mieteten die Gasteltern zwei Boote und wir fuhren eine gute Stunde bei Sonnenschein auf dem Westlake herum. Auf dem Weg zum Bootsanleger wurden wir von nahe zu jedem angeguckt. Mein Freund und ich fühlten uns wie eine Attraktion, denn ansonsten liefen ausschließlich nur Einheimische am Ufer entlang. Wir wurden auch wie eine Attraktion behandelt. Jeder schaut uns an als wären wir Außerirdische. Das läge daran, erklärte mir mein Gastgeber, dass Hangzhou weniger international sei als andere chinesische Städte. Danach konnten wir ein ein wenig besser verstehen, wieso ein paar Leute sogar Fotos zusammen mit uns beiden machen wollten.
Nach der Bootsfahrt erklommen wir einen der Berge, die den Westlake begrenzen. Von dort hatten wir einen schönen Ausblick auf die Umgebung. Am Abend wurden wir beiden Deutschen von unseren jeweiligen Gasteltern abermals in ein Restaurant eingeladen und konnten weitere Gerichte probieren. Nach dem Essen trennten sich die Wege der Gastfamilie meines Freundes und die meiner. Mein chinesischer Freund musste noch etwas in der Schule erledigen, also fuhren wir dorthin. Besonders an den chinesischen Highschools ist, dass sie jeden Tag geöffnet haben, denn sie sind ein Internat und die Schüler müssen das Gelände schließlich betreten und verlassen können. Apropos Gelände: die Schule ist mit kleineren Universitäten vergleichbar. Für alles gibt es sein eigenes Gebäude. Ich lernte zwei Klassenkameraden kennen und durfte in einige Schulbücher meinen Blick hineinwerfen. Nach einer halben Stunde fuhren wir wieder und ich ließ den Abend noch ein wenig ausklingen. Mein Austauschschüler konnte dies nicht; er hat bis Mitternacht Hausaufgaben gemacht.
Hangzhou, 18.März.2018